Neurovaskuläre Erkrankungen
Die vaskuläre Neurochirurgie befasst sich mit der Diagnose und Therapie von akuten sowie chronischen Erkrankungen der Gefäße des Gehirns und des Rückenmarks. Aufgrund der Komplexität dieser Erkrankungen und daraus resultierenden Vielzahl an unterschiedlichen Behandlungsmöglichen nehmen diese Krankheitsbilder in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung ein.
Die optimale Behandlung setzt eine individuelle Therapieplanung unter Nutzung aller derzeit etablierten diagnostischen und therapeutischen Verfahren voraus und erfordert zudem eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Neurochirurgen, Neurologen, Neuroradiologen und Radiochirurgen.
Der Schwerpunkt vaskuläre Neurochirurgie am Klinikum Vest bietet ein modernes und umfassendes Spektrum der Diagnostik und Therapie auf höchstem Niveau unter Verwendung minimalinvasiver Techniken und modernster Technologie.
Im Klinikum Vest können alle Arten von neurovaskulären Erkrankungen mit großer Erfahrung operativ behandelt werden. Im Rahmen einer interdisziplinären Konferenz werden individuelle Therapiepläne nach anerkannten Leitlinien erstellt. Darüber hinaus bieten wir in Kooperation mit der Klinik für Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin das gesamte Spektrum neuroendovaskulärer Therapieverfahren an. Eine regelmäßige Nachsorge erfolgt über unsere neurovaskuläre Spezialsprechstunde.
Behandlungsschwerpunkte:
- Aneurysma der Hirngefäße
- Arteriovenöse Malformation (AVM)
- Arteriovenöse Fistel (AVF)
- Kavernom
- Vaskuläre Kompressionssyndrome
Cerebrale Aneurysmen sind bläschenartige Erweiterungen von Hirnarterien, die sich zumeist an den Teilungsstellen der Gefäße entwickeln (Abbildung 2, Markierung A). Etwa fünf Prozent aller Menschen haben ein cerebrales Aneurysma, wobei etwa 30 Prozent dieser Menschen mehr als ein Aneurysma haben. Die meisten Aneurysmen treten sporadisch auf, es gibt jedoch auch andere Erkrankungen, wie das Marfan Syndrom, die fibromuskuläre Dysplasie und die polyzystische Nierenerkrankung, die gehäuft mit Aneurysmen einhergehen. In seltenen Fällen existiert eine familliäre Belastung zur Ausbildung eines Aneurysmas. Aktuell wird empfohlen sich einem Aneurysma-Screening zu unterziehen, falls zwei erstgradig verwandte Familienmitglieder ein nachgewiesenes Aneurysma haben. Dies sollte dann mittels MR-Angiographie erfolgen.
Häufig wird ein Aneurysma dann diagnostiziert, wenn es platzt und eine lebensbedrohliche Subarachnoidalblutung auslöst. Diese Blutungen sind für gewöhnlich mit einem vernichtenden Kopfschmerzereignis verbunden. In diesen Fällen ist eine rasche Versorgung des Aneurysmas indiziert, um eine zweite Blutung und damit eine schlechtere Prognose zu verhindern. Prinzipiell kann ein Aneurysma entweder operativ mittels „Clipping“ (Abbildung 1) oder endovaskulär mittels „Coiling“ versorgt werden. Beide Methoden werden in unserer Klinik, in Zusammenarbeit mit der Klinik für Neuroradiologie, regelmäßig und mit großer Kompetenz durchgeführt. Die Auswahl der Therapiemethode erfolgt in jedem Fall nach einer interdisziplinären Besprechung, in der die für den einzelnen Patienten individuell beste Behandlung ausgewählt wird.
In der Folge einer Aneurysmablutung kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen. Hierbei sind insbesondere der ausgeprägte Vasospasmus, d. h. die Verengung der Hirngefäße, die zum Schlaganfall führen kann, sowie der Aufstau des Nervenwassers zu beachten. Für die optimale Behandlung dieser Patienten ist daher eine hoch spezialisierte intensivmedizinische Versorgung unerlässlich. Auf unserer interdisziplinären Intensivstation werden alle Patienten nach den modernsten Standards behandelt. Für das Monitoring der Patienten und damit die Früherkennung von Gefäßspasmen wird der transkranielle Doppler eingesetzt. Für die weitere Diagnostik stehen uns rund um die Uhr die Computertomographie (CT), die Kernspintomographie (MRT) und die konventionelle Angiographie zur Verfügung.
Aufgrund immer häufigerer Kernspinuntersuchungen steigt die Zahl der Patienten mit ungebluteten Aneurysmen (Zufallsbefunde). Prinzipiell stehen für die Versorgung dieser Aneurysmen die gleichen Methoden zur Verfügung wie bei rupturierten Aneurysmen. Es muss jedoch von Fall zu Fall entschieden werden, ob eine Versorgung des Aneurysmas notwendig ist oder nicht. Hierfür wird je nach Lokalisation, Größe und Konfiguration des Aneurysmas sowie Alter des Patienten das Blutungsrisiko abgeschätzt und danach eine individuell angepasste Empfehlung ausgesprochen.
Alle Patienten werden nach Ihrer Behandlung regelmäßig in unserer neurovaskulären Sprechstunde gesehen und betreut. Von hieraus werden auch eventuelle Nachbehandlungen oder Kontrolluntersuchungen in die Wege geleitet. Terminvereinbarung unter Telefon 02361 56-3650.
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Hirngefäße unter dem OP-Mikroskop sowie eingebrachter Clip, der das Aneurysma ausschaltet
Arteriovenöse Malformationen (AVM) / Angiome sind Gefäßmissbildungen die aus einem Knäuel von Arterien und Venen bestehen, die über Kurzschlussverbindungen ohne ein Kapillarbett miteinander verbunden sind (Abbildung 2, Markierung B). Innerhalb der AVM liegt kein normales Hirngewebe. AVMs sind in der Regel angeborene Gefäßveränderungen, die jedoch im Laufe der Zeit an Größe zunehmen können.
In den meisten Fällen werden AVMs durch Hirnblutungen auffällig. Sie können allerdings auch Kopfschmerzen, Ohrgeräusche, Krampfanfälle oder Symptome, die einem Schlaganfall ähneln hervorrufen. Da diese Malformationen angeboren sind und statistisch gesehen ein jährliches Blutungsrisiko von etwa 2-4 Prozent aufweisen, werden Patienten mit AVMs deutlich früher durch Symptome auffällig, als dies bei Aneurysmapatienten der Fall ist. In circa 30 bis 50 Prozent der Fälle verursachen Blutungen aus einer AVM ein neurologisches Defizit, wie etwa Lähmungen oder Sprachstörungen. Es ist daher bei der Diagnosestellung einer AVM in den meisten Fällen anzuraten, eine Therapie einzuleiten.
Für die Therapie der AVM stehen mehrere Optionen zur Verfügung. Die mikrochirurgische Operation einer AVM wird in unserer Klinik unter Zuhilfenahme der Neuronavigation sowie unter intraoperativem neurophysiologischem Monitoring durchgeführt. Die Resektionskontrolle erfolgt intraoperativ mittels ICG-Angiographie. Hierbei können die Gefäße, nach Gabe eines fluoreszierenden Farbstoffes in die Vene, unter dem Mikroskop sichtbar gemacht werden.
Oftmals ist eine kombinierte Behandlung der AVM notwendig. In der Regel ist es sinnvoll, zunächst eine endovaskuläre Behandlung durchzuführen, die sogenannte Embolisation. Diese wird durch unsere neuroradiologischen Kollegen durchgeführt. Hierbei werden die arteriellen Gefäße der AVM mit einem Katheter von der Leiste aus angesteuert und anschließend mittels Embolisat verschlossen. Diese Behandlung erfolgt in der Regel in mehreren Sitzungen und führt nur bei manchen kleinen AVMs zur vollständigen und endgültigen Ausschaltung der AVM. Bei der Operation wird die vorher weitgehend embolisierte AVM komplett reseziert, so dass direkt postoperativ kein weiteres Blutungsrisiko mehr besteht (Abbildung 3). Bei der stereotaktischen Bestrahlung (Gamma Knife Bestrahlung, Linearbeschleuniger-Bestrahlung) wird eine fokussierte Bestrahlung verwendet, die fast ausschließlich auf die AVM gebündelt wird. Die Strahlenbelastung der anliegenden nervalen Strukturen wird hierbei auf ein Minimum reduziert.
Eine Entscheidung über die Wahl der Therapiemethode wird jeweils nach einer interdisziplinären Besprechung, unter Rücksichtnahme auf Größe und Lokalisation der AVM, sowie Symptome und Zustand des Patienten, individuell getroffen.
Beratungsgespräche können nach Terminabsprache unter 02361 56-3650 in unserer neurovaskulären Sprechstunde vereinbart werden.
Abbildung 1: großes Aneurysma (A) und große AVM (B)
Abbildung 2: Angiographie nach Ausschaltung des Aneurysmas per Clip sowie mehrfacher Embolisation und abschließender operativer Entfernung der AVM
Arteriovenöse Fisteln (AV-Fisteln) sind extrem seltene Gefäßmissbildungen, die aus Kurzschlüssen zwischen Arterien und normalen Venen des Gehirns oder des Rückenmarks bestehen. Es können mehrere Arterien und Venen in diese Gefäßmalformation eingeschlossen sein; typischerweise gibt es aber immer nur einen Fistelpunkt zwischen dem arteriellen und dem venösen Gefäßsystem.
AV-Fisteln können sowohl mikrochirurgisch (operativ über eine Schädeleröffnung bzw. Wirbelkanalseröffnung), als auch endovaskulär (durch das Gefäßsystem, über eine Punktion in der Leiste) verschlossen werden. Beide Methoden werden in unserer Klinik in Zusammenarbeit mit der Klinik für Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin mit großer Erfahrung durchgeführt. Jeder Fall wird nach einer interdisziplinären Besprechung mit der für den Patienten am besten geeigneten Methode behandelt.
Kavernöse Malformationen (Kavernome) sind gutartige Gefäßmalformationen, die aus einer Anhäufung von veränderten Venen bestehen. Sie können sowohl im Hirngewebe als auch im Rückenmark vorkommen. Da diese Malformationen aus venösen Gefäßen bestehen, können sie zwar bluten, lösen aber auf Grund des niedrigen Drucks zumeist nur kleinere Blutungen aus. Diese Blutungen können dann jedoch zu weiteren Symptomen wie Kopfschmerzen, neurologischen Ausfälle wie Lähmungen und Sprachstörungen oder Krampfanfällen führen.
Das allgemeine Blutungsrisiko von Kavernomen beträgt nur etwa 0,2 bis 2 Prozent pro Jahr, wobei Kavernome im Bereich des Hirnstammes häufiger zu bluten scheinen. Häufig treten Kavernome als Zufallsbefunde im Rahmen einer Kernspinuntersuchung des Gehirns auf. Diese Zufallsbefunde können in der Regel durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen beobachtet werden.
Bei symptomatischen Kavernomen, die durch ein Krampfanfallsleiden oder wiederholte Blutungen auffällig werden, sollte die mikrochirurgische Entfernung des Kavernoms angestrebt werden. Die operative Entfernung erfolgt unter dem Operationsmikroskop unter Zuhilfenahme der Neuronavigation sowie des intraoperativen Neuromonitorings und des Ultraschalls. In ausgewählten Fällen ist auch der Einsatz von Endoskopen erforderlich.
Sowohl die operierten als auch die konservativ behandelten Patienten werden regelmäßig in unserer neurovaskulären Sprechstunde betreut und beraten. Für ein Beratungsgespräch kann unter 02361 56-3650 ein Termin vereinbart werden.
Das häufigste und bekannteste vaskuläre Kompressionssyndrom ist die Trigeminusneuralgie. Die Trigeminusneuralgie ist durch stärkste, blitzartig einschießende Schmerzen im Bereich einer Gesichtshälfte gekennzeichnet. Diese Schmerzen können durch bestimmte Reize, wie zum Beispiel sprechen, kauen oder Zähne putzen ausgelöst werden. Ursächlich ist für diese Schmerzen in der Regel ein arterielles Gefäß, welches im Bereich der Austrittsstelle des Nervus trigeminus aus dem Hirnstamm dem Nerv aufliegt und ihn durch seine regelmäßige Pulsation irritiert.
Der Nervus trigeminus besteht aus drei Ästen und ist für die Gefühlsempfindung im Gesicht zuständig. Die ständige Irritation des Nerven durch die Pulsation führt so zu schmerzhaften Missempfindungen im Bereich von Stirn, Oberkiefer oder Unterkiefer, je nachdem welche Äste betroffen sind.
Initial ist die Therapie der Wahl eine medikamentöse Schmerztherapie. Sollte diese jedoch nicht ansprechen oder die Nebenwirkungen der Medikamente zu belastend sein, ist die neurovaskuläre Dekompression des Nervus trigeminus indiziert. Hierbei wird über einen ca. 4 cm langen Hautschnitt hinter dem Ohr, der Nervus trigeminus an seinem Abgang aus dem Hirnstamm dargestellt und das komprimierende Gefäß identifiziert. Anschließend werden Nerv und Gefäß voneinander getrennt und ein Teflonschwamm als Puffer zwischen die beiden Strukturen eingebracht. Auf diese Weise wird eine weitere Reizung des Nerven durch die Pulsation des Gefäßes verhindert. In der Regel sind die quälenden Schmerzen unmittelbar postoperativ verschwunden und sämtliche Schmerzmedikamente können abgesetzt werden.
Für ein Beratungsgespräch bezüglich der Trigeminusneuralgie oder anderer seltenerer vaskulärer Kompressionssyndrome, wie zum Beispiel die Glossopharyngeusneuralgie und den Hemispasmus fazialis können unter 02361 56-3650 Termine vereinbart werden.