Schlaganfallschutz ohne Blutverdünner
Klinikum Vest eines der ersten Zentren in Deutschland, das ein ganz neues Flex System verwendet
Hans-Hermann Lohse ist unendlich erleichtert: Alle drei Monate musste der 70-Jährige in einem auswärtigen Krankenhaus vorstellig werden. Weil er von Blutverdünnern entwöhnt werden sollte, aber jederzeit einen Schlaganfall hätte bekommen können, setzten Ärzte ihm ein sogenanntes Vorhofohrschirmchen ein. Allerdings eines, das zu klein bemessen worden war und schließlich ein Loch neben dem Schirmchen verursachte. Ein gefährliches Loch – deshalb die ständige Kontrolle. Deshalb in jedem Quartal ein unangenehmes Schluckecho, das Lohses Lebensqualität ganz schön einschränkte – bis er über seine neue Kardiologin ans Klinikum Vest verwiesen wurde. Prof. Dr. Frank Weidemann, Kardiologie-Chefarzt am Standort Knappschaftskrankenhaus, und sein Oberarzt Mohamad Aboukoura stemmen sehr erfolgreich und federführend in der Region das Implementieren der Vorhofohrschirmchen. Doch dass sie nun Löcher abdichten können, ist neu. Hans-Hermann Lohse ist erst der zweite Patient, dem das Verfahren zugutekommt. Mit uns sprach Weidemann über das Prinzip ebenso wie über Verfeinerungen des Eingriffs.
Was hat es mit dem sprichwörtlichen Stopfen von Löchern neben dem Vorhofohrschirmchen auf sich?
In der Vergangenheit haben wir mehrfach Patienten aus anderen Krankenhäusern behandelt, bei denen das Vorhofohrschirmchen, das ja Blutverdünner wie Marcumar ersetzen und Blutgerinnsel, die zum Schlaganfall führen können, verhindern soll, zu knapp bemessen worden war. Zu klein gewählte Schirmchen führen zwangsläufig zu Löchern. Ein Blutgerinnsel ist damit nicht vollständig abgedeckt und kann weiterhin ein Schlaganfallrisiko darstellen, wenn kein Blutverdünner eingesetzt wird. Mit dem Herzzentrum in Leipzig haben wir deshalb ein Verfahren etabliert, um diese Löcher minimalinvasiv abzudichten. Oder, wie Sie sagen: zu stopfen. Das ist aber nicht die einzige Neuerung. Wir sind das zweite Zentrum in ganz Deutschland, das das moderne sogenannte Flex-System seit seiner Markteinführung einsetzt und damit die Sicherheit der Schirmchen noch weiter verbessert.
Was verbirgt sich hinter diesem Flex-System?
Hinter dem Flex-System verbergen sich verfeinerte Schirmchen, die keine Widerhaken mehr haben und von außen vom linken Vorhof ins Vorhofohr vorgeschoben werden können. Damit haben wir nicht nur die Gefahr von Verletzungen des Herzens noch weiter minimiert. Wir können jetzt auch Patienten versorgen, bei denen der Einsatz eines Vorhofohrschirmchens bisher nicht möglich war, weil sich bereits ein Blutgerinnsel gebildet hatte. Jetzt können wir das Schirmchen einfach auf das Gerinnsel schieben.
Und damit ist die Gefahr eines Schlaganfalls durch Gerinnsel, die sich lösen können, gebannt?
Ja. Wir setzen bei Risikopatienten zusätzlich noch ein sogenanntes zerebrales Embolieprotektionssystem ein. Dieses technisch sehr aufwändige Verfahren nutzen wir immer dann, wenn wir das Gefühl haben, ein Gerinnsel könnte sich lösen. Dabei werden über die Arm-Arterie zwei Filter über einen Draht in den beiden Halsarterien wie ein Fallschirm entfaltet, die das Gerinnsel dann auffangen können. Wir sind aktuell die einzigen im Ruhrgebiet, die diese Methode einsetzen. Allerdings braucht man das Verfahren eher selten.
Können Sie insgesamt ein paar Zahlen zum Einsatz des Vorhofohrschirmchens nennen?
Unsere Sprechstunde, die wir extra dafür eingerichtet haben, ist sehr gut angenommen worden. Es gibt viele Nachfragen. Bislang haben wir dieses Jahr schon rund 80 Vorhofohrschirmchen eingesetzt. Zehn davon bereits mit dem nietnagelneuen Flex-System - ein guter Erfolg.
Mehr über die spezielle Methode erfahren Interessierte immer dienstags in einer speziellen Vorhofohrschirmchen-Sprechstunde bei Prof. Dr. Frank Weidemann. Anmeldung unter Tel. 02361/563401.